Aufreger zu Fasching

Von Generation WOW21.02.2020

Warum verstößt Fasching plötzlich gegen Menschenrechte?, fragt sich Meins-Autorin Angi Brinkmann, 53. Als Kind verkleidete sie sich mit Leidenschaft als Zigeunerin. Heute undenkbar…

Puh, meine Eltern hatten so ein verdammtes Glück. Heute säßen sie im Gefängnis. Die ließen uns vier Kinder an Fasching nämlich als Mexikaner, Gaucho, Sheriff und Zigeunerin auf die Menschheit los. Und es kommt noch dicker: Ich durfte mir sogar die Wimpern tuschen sowie Kaugummi kauen. Meine wilden Brüder waren bis an die ungeputzten Zähne bewaffnet. Mit Pistolen, die sie aus Halftern rissen, die laut knallten und stanken. Gestört hat das damals niemanden. Die Erwachsenen haben gelacht, und die rosa Prinzessinnen gingen in Deckung. So hat uns das gefallen, schöne heile Welt…

Fastnacht, Fasching, Karneval… lasst den Kindern doch ihren Spaß!

Heute dürfen Kinder faschingstechnisch nix mehr. Ob Krippe, Kita oder Grundschule, alle verbieten sie die Kostüme, die das Verkleiden erst so richtig besonders machen: Indianer, Panzerknacker, Chinesin, Henker, Scheich, Cowboy, Soldat. Alles nicht mehr tragbar, weil es Minderheiten diskriminiert, Religionsgemeinschaften beleidigt oder Kindern falsche Ideale aufzeigt. Ich finde das bekloppt und schüttle als erfahrene Mama den Kopf. Wie gern habe ich meine Tochter zur gruseligen Hexe geschminkt oder meinen Sohn zum fiesen Westernhelden getunt – mit Bartstoppeln, Narben und Colt. Deswegen ist der doch heute kein Killer, der studiert Kommunikationswissenschaften und hat noch nie jemandem etwas getan.

Fasching ist doch keine Jobbörse! Es ist ein Spiel mit dem Anderssein. Für ein paar Tage wild sein, sich ausprobieren, in Rollen schlüpfen, Masken tragen. Zu sehen, was möglich ist und wie man ankommt, stärkt das Selbstvertrauen. Ein Indianer in Größe 116 ist kein Affront, nur ein neugieriger kleiner Mensch, der in eine andere Kultur hinein schnuppert, seinen Gummi-Tomahawk schwingt und stolz „Uaaahuaaahaaaa“ ruft. Diese Bürokraten-Pädagogen mit ihrer übervorsichtigen Korrektheit gehen mir auf die Nerven! Ich möchte mich dazwischenwerfen und den Kindern ihre Freiheit retten. Engstirnigkeit tut niemals gut. Und, by the way, welche Fantasien leben eigentlich erwachsene Frauen vor, die zum Fasching als sexy Krankenschwester gehen? Oder Männer, die ihr enges Polizistenhemd bis zum Bauchnabel offen tragen und einen Gummiknüppel schwingen? OHA! Ich wette, die durften als Kinder weder Zigeunerin noch Cowboy sein. Zu schade, denn DAS hätte ihnen beizeiten Selbstbewusstsein geschenkt!

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