Angi Brinkmanns neue Kolumne
02.11.2020Yippie, hier kommt die neue Kolumne von Angi Brinkmann! Unsere MEINS-Autorin hat zu jedem wirklich jedem Thema ein paar flotte Sprüche auf Lager. Diesmal lautet das Stichwort „Werbung“. Denn würden wir dem glauben schenken, was dort zu sehen ist, wären wir Frauen 50plus komische Wesen: Wir tropfen, sind fett und vergessen alles. Höchste Zeit sich zu wehren, oder?
Die Frau, das wunderbare Wesen. Stets bemüht um Perfektion, adrett im Auftreten, gewissenhaft und makellos rein. Diese Lebensparameter bekam unsere Generation doch schon als Kindergartenprinzessin mit – und eine fette Portion Schamgefühl obendrauf! Beim Schulschwimmen versteckten wir unsere miniklein vertröpfelten Höschen, als hätten wir Aussatz. Als Teenager liehen wir einander Tampons, als seien wir Dealer mit Kokain. Seit wir Kinder geboren haben, sitzt uns bei jedem Lachanfall die Angst im Nacken, zwei Tröpfchen zu verlieren. Und gehen wir zum Yoga, wird im Auto vorher noch mal der Sitz der Slipeinlage gecheckt. Hoffentlich bin ich sauber, habe nirgendwo ein Fleckchen und rieche nach nichts – nicht mal mein Atem nach Spaghetti arrabiata vom Mittagstisch.
Unsere Ängste werden schamlos ausgenutzt
Genau dieses antrainierte Schamgefühl macht sich die Werbung zunutze und suggeriert uns: Du bist unsauber, aber keine Sorge, wir können dir helfen… Die Produktpalette der Frauen-aufpimp-Accessoires ist unfassbar lang: Intimwaschgel, 24-Stunden-Deo, Slipeinlagen mit Lavendelduft, Mundspray mit Pfefferminze, rosa Nassrasierer und Unzähliges mehr. Ich möchte, dass wir uns wehren! Wir sind jetzt groß, stehen mit über 50 als absolute Top-Profis in unserem Leben und müssen weder diffamiert noch tapfer zugucken, wie sich Frauen in Fernsehspots vorm Spiegel drehen – vor Glück strahlend, dass sich die Binde nicht abzeichnet. Geht’s noch?
Vielmehr frage ich mich: für wen eigentlich? Für Männer? PAH! Diese Geschöpfe mit dicken Bäuchen, schlecht sitzenden Hosen, muffelnden Wollpullovern, Mundgeruch, Stinkesocken und Reizdarm? Also, nur um hier mal ein paar Indikatoren aufzuzählen, die die Werbewirtschaft beim vermeintlich starken Geschlecht aufgreifen könnte. Macht aber keiner, denn Männer würden sich das niemals gefallen lassen – vielmehr haben die ein irritierend großes Selbstbewusstsein. Wenn ein Kerl muss, stellt er sich an den Straßenrand, fummelt sich das Teilchen raus, pullert und steigt wieder in sein Auto. Jesses! Damit sind wir aufgewachsen, okay, aber fanden SIE das je normal? ICH nicht! Wie lustig wäre es, es gäbe plötzlich Werbespots im Fernsehen, in denen Hygienetücher „für echte Kerle“ beworben würden. Undenkbar! Der Unterschied ist eben: Männer dürfen tropfen, Frauen nicht. Wie perfide! Denn gäbe es unsere mitunter tröpfelnde Fruchtbarkeit nicht, wären diese patriarchalisch denkenden Werbe-Fuzzis längst ausgestorben. Oder besser gesagt: Wir hätten sie ausgetrocknet, HAHAHAAA. Es liegt an uns, Ladys! Kopf hoch, stolz das Kinn vor – wir sind normal!