Gleichberechtigung? Ich hab' da noch was!
22.05.2020Alle sprechen über Gleichberechtigung. Doch in manchen Bereichen wird nach wie vor gar nicht erst ein Blick riskiert. Im Straßenverkehr fiel MEINS-Autorin Angi Brinkmann, 53, jetzt etwas auf, das sie sehr verärgert hat.
Käthe Kollwitz kennen Sie, Marie Curie auch. Bestimmt auch Rosa Luxemburg und Sophie Scholl und natürlich Anne Frank. Diese Namen lesen wir hier und da auf Straßenschildern, aber dann hört’s üblicher- weise schon auf mit der sichtbaren Ehrung bedeutender Frauen. In Düs- seldorf zum Beispiel, ich mag es kaum schreiben, tragen nur DREI Prozent der Straßen, die nach Personen benannt sind, Frauennamen. Keine Frage, wir brauchen ’ne Quote – für Straßen und sonst wo gleich auch.
Gleichberechtigung fängt im Kleinen an
Früher ist uns das nicht so aufgefallen. Meine Straßenbahnhaltestelle lag am Bismarckplatz, meine Schule war das Theodor-Heuss- Gymnasium, nachmittags ging’s zur Gymnastik in die Jahn-Turnhalle. Die Generation von uns Frauen 50 Plus wuchs in einer komplett von Männern dominierten Welt auf, die sich völlig selbstverständlich mit jeder Straßeneinweihung das nächste Denkmal setzten. Die Akzentuierung auf machtvolle Männer liegt uns ja geradezu im Blut. Vom Pfarrer am Taufbecken über den Geschichtslehrer bis zum Kultusminister. Männer bestimmen, was wir wissen sollen. Denken wir an den Deutschunterricht: Wen haben wir da gelesen? Hesse, Lessing, Goethe, Schiller, von Kleist, Brentano, von Eichendorff. Ich habe gar nichts gegen die Jungs, alles große Denker. Nicht zufällig habe ich einen Magister in Literaturwissenschaften, und mein Herz pocht bis heute für den schmucken Theodor. Also, Herrn Fontane. Ach, wie gern wäre ich seine Effi Briest gewesen, aber ich bin zu spät geboren.
Wir Frauen haben genauso kluge Gedanken!
Zu spät leider auch, um in der Schule mal tüchtig auf den Tisch zu hauen. Denn diese Dominanz von Männern geht bis heute scheinbar ungebremst weiter. Die Autoren der Schullektüre haben alle ein Zipfelchen, wie es der große Loriot umschreiben würde. Das ist KEIN Penisneid, ihr möglichen Freuds unter meiner Leserschaft, ich finde das einfach nur ungerecht. Mir geht es um Gleichberechtigung und ein modernes Frauenbild in den Köpfen. Warum liest unsere Jugend nicht Bettina von Arnim, Christa Wolf, oder auch mal ’ne streitbare Sibylle Berg? Frauen haben kluge Gedanken, wunderbare Denkansätze und empathische Thesen – warum werden die noch immer viel zu selten zu Gehör gebracht? Ebenso in der Wissenschaft: Wie viele Fachfrauen haben wir jetzt in den Sondersen- dungen von ARD und ZDF gesehen? Ich schätze mal drei Prozent, analog zur Quote der Frauennamen im Stadtbild. Bitte dringend nachbessern!
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