Kolumne: Das ist zum Haareraufen!
10.02.2021Während uns der Ansatz rauswächst, sehen wir Politiker und Fußballer überall und ungeniert frisch frisiert. Zum Haareraufen unfair, findet MEINS-Autorin Angelika Brinkmann – und widmet sich daher in ihrem aktuellen Aufreger dem Thema
Dass Politiker über unsere Köpfe hinweg entscheiden, sind wir nach einem Jahr Pandemie gewohnt. Wie weit das geht, ist nicht mehr zu übersehen – bei mir am herausgewachsenen Haaransatz. Über 80 000 Friseursalons sind seit Dezember geschlossen, Deutschland franst aus. Nur nicht in Berlin – unsere Politiker sind perfekt frisiert! Wie von Zauberhand … Gut, Frisuren wie die von Herrn Altmaier sind nicht schwer zu pflegen, wie aber hält der Rest vom Kabinett die kantigen Konturen in Fasson? Die sind doch nicht alle wie der Pfälzer Ex-Ministerpräsident Kurt Beck mit einer tüchtigen Friseurin verheiratet?
Hier wird augenscheinlich Wasser gepredigt und Wein getrunken! Diese Ungerechtigkeit macht mir Spliss! Ebenso wie das selbstgerechte Auftreten der Top-Fußballer in der Bundesliga. Millionen Fans müssen sich doch jetzt im Lockdown zu Hause auf der Couch verdutzt die herausge- wachsenen Haare raufen: Wie ist es möglich, dass die Kicker mit topgestylten Undercuts, getrimmten Nacken, Muster-Rasuren und wöchentlich wechselnden Haarfarben auf dem Platz dribbeln? Und das mit der größten Selbstverständlichkeit – als wäre es nicht schon Privileg genug, dass die Elite-Kicker überhaupt ihren Beruf ausüben dürfen. Dieser Hohn missfällt selbst dem Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks, der in einem offenen Brief darum bat, doch bitte Solidarität zu üben. Recht so, weht doch über jedem akkuraten Scheitel der süffisante Duft der Schwarzarbeit. Ich möchte nicht so weit gehen, Fußballern eine Vorbildfunktion zuzugestehen, aber irgendwie sind sie eben doch Orientierungsfiguren, da ist Überheblichkeit fehl am Platz!
Was bringt Dich zum Haareraufen?
Meine Friseurin Karen hingegen tut mir von Herzen leid: Sie möchte so gern ihren Beruf ausüben und wartet sehnsüchtig darauf, ihren kleinen Salon wieder zu öffnen. Sie hat viel Geld in vorschriftskompatible Hygienemaßnahmen wie Plastikscheiben und Einmalumhänge investiert. Als die Infektionszahlen anstiegen, stand sie sogar im Overall wie bei der Spurensicherung im Laden – alles für die Sicherheit ihrer Kunden! Was hat ihr dieses Verantwortungsgefühl genützt? NIX! Ihre Verluste wird sie wie alle Kleinstunternehmer nie wiedersehen, ihre Zukunft ist ungewiss.
Mit jedem Tag des Lockdowns nimmt die Politik denen, die verantwortungsvoll alle Maßnahmen befolgt haben, ein Stück ihrer Würde. Offenbar messen die Politiker mit zweierlei Maß, obschon wir sie als unsere Stellvertreter gewählt haben. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten. Ich zum Beispiel wünsche mir mehr Augenmaß und Schnelltests für ALLE – nicht nur im Stadion und im Bundestag. Was wünschst Du Dir?
Du liebst die Kolumnen von Angi Brinkmann? Diese ist ebenfalls besonders lesenswert.