Steckt eine Tratschtante in dir?

Von Generation WOW31.01.2022

Martina Ehrlich (56) schreibt, wie sie spricht: immer geradeheraus. Hier erzählt sie uns von ihrem Leben im Pott, von Katzen mit Charakter und Menschen, die was erlebt haben. Und trifft mit dem heutigen Thema „Wie viel Tratschtante steckt in dir und mir?“ mal wieder einen Nerv …

Wisst ihr, warum Affen sich gegenseitig das Fell lausen? Weil sie nicht tratschen können. Über den grauhaarigen Affenchef beispielsweise, der immer einen auf dicke Hose macht, aber gestern fast vom Baum gefallen wäre. Oder über die Neue in der Horde, die immer so aufreizend mit ihrem roten Hintern wackelt. Also, echt, die hat’s nötig! Lästern hat zwar keinen besonders guten Ruf, erfüllt aber – genau wie gegenseitiges Lausen – eine wichtige Aufgabe unter höher entwickelten Lebewesen: Tratsch hält Gruppen zusammen, wirkt wie sozialer Klebstoff und hilft, Druck abzu­ bauen, sagen Wissenschaftler.

Find’ ich gut. Da muss man sich nicht so schäbig fühlen, wenn man den ganzen Abend mit Freundinnen geschludert hat. Ehrlich gesagt tun wir das nämlich inflationär und mit Hingabe. Klar, wir unterhalten uns auch über Job, Urlaub, Politik und mit zunehmendem Alter vermehrt über Krankheiten. Aber so richtig lustig wird’s immer erst, wenn ein Satz mit „Ihr werdet nicht glauben, wen ich neulich in der Umkleidekabine …“ oder „Wusstet ihr eigentlich, dass der Ex von der Simone …“ beginnt. Wir nennen das übrigens nicht schludern, sondern sozialrelevanten Informationsaustausch. Man muss doch auf dem Laufenden bleiben, außer­ dem – und da zitiere ich wieder die Wissenschaft­ ler – hat die Menschheit auch deshalb angefangen zu klatschen, um von den Fehltritten anderer zu lernen. Schon in der Steinzeit ließ man besser die Finger von den lecker aussehenden roten Beeren, seit Honk nach dem Verzehr drei Tage Bauschmerzen hatte. Heutzutage lässt man besser die Finger von den Druckerpatronen aus dem Materialschrank, nachdem der Typ aus der Buchhaltung die bei ebay versteigert hat und gefeuert wurde.

Klatsch und Tratsch ist pädagogisch wertvoll

Klatsch ist also pädagogisch wertvoll. Zumindest, wenn er richtig dosiert wird und gleichberechtigt ist. Unfair ist es beispielsweise, wenn ein Chef mit anderen Unter­ gebenen über die Auszubildende lästert. Unzulässig ist der Klatsch, wenn dabei Lügen oder Gerüchte in die Welt gesetzt werden. Und unklug ist es, wenn jemand über Leute lästert, die bei den anderen beliebt sind. In so einem Fall ist derjenige im Nullkommanix genauso gern gesehen wie Armin Laschet in der CDU.

In China heißt es darum auch, lästern wäre wie in die Luft spucken, am Ende trifft es immer den Spötter selbst. Oder die Spötterin. Mich zum Beispiel. Da hab’ ich neulich ein nicht ganz so vorteilhaftes Foto von einer Bekannten weiter­ geleitet, allerdings versehentlich in eine Gruppe, in der die Betreffende auch ist. Ich hab’ die WhatsApp zwar sofort gelöscht, weiß aber nicht, ob sie es trotzdem gesehen hat. Seitdem hab’ ich ein schlechtes Gewissen und zucke bei jeder Regung meines Handys zusammen. Geschieht mir recht. Vielleicht sollte ich es das nächste Mal mit Lausen statt Lästern versuchen. Einer Affenfrau wäre so was nie passiert.

Hat euch die Kolumne gefallen und wollt ihr künftig mehr davon lesen? Erzählt es mir gern in den Kommentaren. Und Hand aufs Herz, ihr Lieben! Jetzt würde mich interessieren: Wir gern klatscht und tratschst du?

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