Weihnachten ist das Fest der Liebe
23.12.2020Meins-Autorin Angi Brinkmann, 54, findet Covid-19-Leugner nervig. An den Festtagen tun sie ihr trotzdem leid. Schließlich ist Weihnachten das Fest der Liebe
Sie sitzt ganz müde auf ihrem Stuhl, die Ärztin im Fernsehen, und berichtet,
dass mehr und mehr Corona-Leugner auf ihrer Intensivstation eingeliefert
werden. „Das Schlimmste ist“, stockt sie, „dass diese Verschwörer bis zuletzt behaupten, Covid-19 sei eine Erfindung und es könne gar nicht sein, dass sie sterben. Sie sind nicht einmal bereit, sich von ihren Angehörigen zu verabschieden.“ Dieses Fernsehinterview ging mir sehr nahe. Ich habe schon Lebensmenschen verloren und weiß, dass immer auch ein Teil deiner eigenen Seele mitgeht. Wie viel schmerzlicher noch müssen sich Trauer und Leere anfühlen, wenn du dir als Hinterbliebener auch noch Vorwürfe machst? Wenn du dich fragst, ob du genug diskutiert hast oder den Verstorbenen nicht ernst genug genommen hast oder ob es sich gar wirklich um ein Mordkomplott handelt? Wie zermürbend.
Weihnachten ist das Fest der Liebe – das ist, was wir brauchen!
Ich bin mir absolut gewiss, dass all diese Querdenker da draußen nur eines brauchen: Liebe! Nächstenliebe! Gleichwohl, das nur kurz dazu, mag ich diese gesinnungsübergreifende Bezeichnung „Querdenker“ überhaupt nicht. Zum einen, weil ich mich dann logisch gedacht Geradeaus-Denker nennen müsste – das bin ich aber ganz und gar nicht! Zum anderen finde ich, viele Querdenker haben es gar nicht so mit dem Denken. Wir haben eine Pandemie, die ist virologisch unbestritten. Über die Maßnahmen zu deren Bekämpfung kann man natürlich streiten – auch laut und mit Plakaten. Wir leben in einer Demokratie, und da hat jeder Einzelne seine Meinung. So soll es sein. Gleichwohl leben wir in einer entscheidenden Phase der Wende. Gerade jetzt nämlich zeigt sich, dass Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn nicht nur christlich oder ethisch wünschenswert, sondern sogar lebensnotwendig sind. In diesem Sinne fällt es mir schwer, mit Vollpfosten zu diskutieren, die mir unterstellen, meine Maske beweise nur lemminghafte Unterwürfigkeit, und behaupten, die ganze Weltpolitik steuere ein Komplott. Selbst wenn dem so wäre: Wer demokratische Meinungsfreiheit einfordert, muss diese für alle gelten lassen. Ergo endet die persönliche Freiheit genau da, wo die des Gegenübers beginnt. Das gilt für Aluhut-Träger, fanatische Parolen-Brüller, Science-Fiction-Theoretiker, schnappatmende Kampf-Nachbarn und für alle doofen Onkels, die schon immer ein Haar in meiner Suppe gefunden haben. Alles deren Problem! Wer andere anschreit, brüllt sich selbst an. Schrägen Leuten fehlt die Selbstliebe, und diesen Kummer verpacken sie in Selbstherrlichkeit.
Üben wir uns in Nächstenliebe. Die ist jetzt gefragt, liebe Denkerinnen! Breiten wir unsere Arme aus, wenn auch nur verbal. Besinnen wir uns auf unsere Stärke, nicken wir Andersdenkenden einfach mal aufmunternd zu. Das erspart sicher so manche Diskussion über die Festtage. Frohe Weihnachten im kleinen Kreis und bleibt bitte gesund!